Gedanken zum Mittwoch - "Der gute Hirte"
Liebe Leserinnen und Leser!
Ich grüße Sie sehr herzlich mit diesem Spruch aus Johannes 10, 11a.27-28a:
„Christus spricht:
Ich bin der gute Hirte.
Meine Schafe hören meine Stimme,
und ich kenne sie
und sie folgen mir;
und ich gebe ihnen das ewige Leben.“
„Ich bin der gute Hirte …“ –
Zu diesem Wort der Bibel finden sich unzählige Darstellungen in der christlichen Kunst: z.B. Wandmalereien, Skulpturen, Mosaike, Ölgemälde und auch schlichte Drucke. Insbesondere Werke aus dem 19. und beginnenden 20.Jh. fallen durch ihren äußerst romantisierenden Stil auf … aus heutiger Sichtweise muten sie beinahe „kitschig“ an. Der eine oder die andere erinnert sich vielleicht noch an Kunstdrucke in schwarzem Holzrahmen, die bei den Großeltern zuhause über dem Ehebett hingen: ein dem damaligen Schönheitsideal entsprechender Jesus mit gelocktem, sorgfältig frisiertem Haar und ordentlich gefältelter Kleidung trägt ein niedliches Lamm auf der Schulter und blickt mit verklärtem Blick nach oben oder senkt demütig den Blick nach unten.
Solche Darstellungen waren damals weit verbreitet und prägten die Wahrnehmung des Themas. In der zweiten Hälfte des 20. Jh. wurden sie dann zunehmend als nicht mehr zeitgemäß empfunden und „ausrangiert“. Nicht selten landeten sie beim „Trödler“. Ich behaupte einmal: Heute finden sich Bilder vom „guten Hirten“ in so gut wie keinem modernen Schlafzimmer mehr.
Hat damit auch das Thema des Bildes, der „gute Hirte“, seine Bedeutung eingebüßt?
Es ist gegenwärtig in unseren Breitengraden ja nur selten möglich (auf dem Land natürlich noch häufiger als in der Stadt) zu beobachten oder gar mitzuerleben, was ein Hirte tut. Und dann ist da noch die Frage nach der „Relevanz“ … werden „Hirten“ überhaupt noch gebraucht?
In der Zeit, in der dieser Spruch aus dem Johannesevangelium aufgeschrieben wurde und auch in vielen Jahrhunderten davor und danach stellte sich diese Frage nicht. Hirten waren integraler Bestandteil des alltäglichen Lebens und hatten in der Gesellschaft eine wichtige Funktion, sie waren „systemrelevant“. Denn sie kümmerten sich um den wichtigsten Besitz der Menschen: ihre Kleinviehherde aus Schafen und Ziegen. Schafe und Ziegen wurden hochgeschätzt, denn sie sicherten den Lebensunterhalt der Bevölkerung.
Einen guten Hirten zu haben war existentiell wichtig: er sorgte für gute Weideplätze, sorgte sich um Gesundheit und Wohlergehen und wehrte mit all seiner Kraft Bedrohungen ab. Seine Umsicht, Weitsicht und weise Entscheidungen bildeten die Grundlage für das Gedeihen der Herde auch in schwierigen Situationen. Den Weisungen des Hirten zu folgen und in seiner Nähe zu bleiben, war eine Grundvoraussetzung für gelingendes Leben. Es überrascht von daher nicht, daß Jesus das Bild des „guten Hirten“ verwendet, wenn er von sich selbst und seiner Beziehung zu den Menschen spricht. Seinen Zuhörern und auch noch vielen Generationen nach ihnen wurde unmittelbar deutlich, was er damit sagen wollte:
Haltet euch an mich, ihr Menschen. Ich weiß was gut für euch ist. Ich bin bei euch, jeden Tag und begleite euer Dasein. Vertraut auf mich und meine Weisung, dann werdet ihr leben und auch durch schwierige Situationen hindurch finden – denn ihr seid wertvoll für mich, so sehr, daß ich mich sogar mit meinem Leben für euch einsetze, damit ihr schließlich ans gute Ziel kommt.
An dieser Stelle wird mir sehr deutlich, daß das Thema des Bildes vom „guten Hirten“ auch in der modernen Gegenwart nichts von seiner Bedeutung verloren hat – auch wenn vielleicht künstlerische Darstellungsweisen der Vergangenheit aus der Mode gekommen sind. Hirten waren und sind bis heute wichtig.
Ein „guter Hirte“ hat Relevanz – in der praktischen Alltagswelt (auch heute werden ja noch unzählige Schafe von ihnen gehütet, wenn auch in der modernen Gesellschaft für viele weniger sichtbar) aber auch im übertragenen Sinne, so wie Jesus ihn gebraucht.
Es tut gut darauf vertrauen zu können – und darum wirbt unser Glaube – daß es nicht nur für Schafe oder Ziegen, sondern auch für uns Menschen einen Hirten gibt, der unser Leben aufmerksam begleitet.
Auf unsichtbare Weise ist er in Christus täglich an unserer Seite, nie weiter als ein Gebet weit entfernt. Damit unser Leben gelingt und auch in schweren Zeiten nicht in einer Sackgasse mündet, sondern letztlich zu einem guten Ziel kommt.
Schließen möchte ich daher mit Versen eines Liedes von Hanns Köbler, der das Vertrauen in Christus als den „guten Hirten“ meines Lebens in modernen Versen auf den Punkt bringt:
„Ich möcht‘, dass einer mit mir geht,
der’s Leben kennt, der mich versteht,
der mich zu allen Zeiten kann geleiten,
ich möcht‘, dass einer mit mir geht.
Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Woche,
Ihre
Petra Handke, Pfrn.
Bild: Kees de Kort