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Zum Johannistag

Frohe Weihnachten! Mit diesem Wunsch komme ich genau sechs Monate zu früh oder zu spät – ganz wie man’s nimmt, oder?

Nicht ganz. Natürlich ist bis zum Fest der Geburt Jesu noch viel Zeit, aber ganz falsch liege ich nicht, denn der heutige Tag, der 24. Juni, wird auch „Sommerweihnacht“ genannt. Heute ist der Tag der Geburt Johannes des Täufers, kurz: Johannis.

Johannes ist der Cousin Jesu. Er war das lang ersehnte Kind seiner Eltern Elisabeth und Zacharias. Seine Geburt - vom Engel Gabriel angekündigt – eine große Freude. Jesu Leben und das des Johannes waren seit jeher verbunden. Während der Schwangerschaftszeiten begegnen sich ihre Mütter Maria und Elisabeth, und der ungeborene Johannes hüpft vor Freude im Leib seiner Mutter. Sein Name ist Bekenntnis: Johannes – Gott ist gütig. Später wird Johannes Jesus taufen.

Ein reiches Brauchtum ist mit dem Tag des Johannes verknüpft. In manche Traditionen haben sich alte Sonnenwendbräuche eingemischt. So werden in einigen Gegenden in der Nacht vom 23. auf den 24. Juni Johannisfeuer entzündet; dann gibt es den Brauch der sog. Johannissträuße, die aus sieben, manchmal neun Kräutern bestehen und – da kommen Volks- und Aberglaube mit ins Spiel – am Johannistag angeblich ihre heilende Wirkung besonders stark entfalten. Von einem solchen Strauß oder auch Kranz, unters Kopfkissen gelegt, versprach man sich früher Glück in der Liebe.

Auch im bäuerlichen Leben spielte der Johannistag – in der Mitte des Jahreslaufs gelegen - schon immer eine wichtige Rolle, nicht zuletzt wegen einiger Ernteregeln. Einige kommen uns ganz bekannt vor: So endet am Johannistag die Erntezeit für Rhabarber und für Spargel – daher übrigens auch der Name „Spargelsilvester“.

Viele Bauernregeln gibt es zum 24. Juni, z. B.

Wenn kalt und nass Johannis war,
verdirbt er meist das ganze Jahr.

Oder:

Bleibt es an Johanni trocken und warm,                                                                                                                                                                                                       macht das den Bauern nicht arm.

Dass nicht nur seines Todes, sondern auch der Geburt des Johannes im Festkalender gedacht wird, ist eine besondere Ehre. Es sagt etwas über seine Bedeutung. Wer war er? Ein Opportunist sicher nicht.

Er ging seinen eigenen Weg; schlug nicht die berufliche Laufbahn seines Vaters ein, sondern ging in die Abgeschiedenheit, lebte alternativ, in klarer kritischer Distanz zu den gesellschaftlichen und religiösen Gegebenheiten, rief zur Buße und Umdenken auf, taufte, war der Rufer in der Wüste und bezeugte so, dass der Messias nahe sei. Er suchte die Richtungsänderung – riskierte Kopf und Kragen. Nein, angepasst war er wirklich nicht. Er war eine starke Persönlichkeit, sah aber genauso die Grenzen seiner Möglichkeiten. Und so reagiert dieser eigenwillige Mann sehr weise, als seine Anhängerinnen und Anhänger ihn über Jesu große Wirkung auf die Menschen unterrichten. Gelassen erwidert er: „Er muss wachsen; ich aber muss abnehmen“ (Joh 3,30). Keine Konkurrenz, sondern Klasse. Gerade durch die Bereitschaft, sich zurückzunehmen, die eigene Bedeutung in den Hintergrund treten zu lassen, zeigt er Größe. Weil er nicht versucht vorzugreifen. Weil er nicht versucht, Jesus zu übertreffen, weil er ihm die erste Reihe überlassen kann. „Er muss wachsen; ich aber muss abnehmen.“ Johannes sagt das nicht resignativ, sondern hoffnungsvoll und freudig. Ihm ist es wichtig, ja, am wichtigsten, dass Gottes Pläne mit Jesus realisiert werden. Er legt nicht die Hände in den Schoß, sondern er wird zum Wegweiser. Wegweiser statt Selbstdarsteller. Und das ist doch wirklich eine großartige Aufgabe, eine Lebensaufgabe sogar: auf Jesus hinzuweisen. Mit dem ganzen Leben zu zeigen, was wahrhaft lebendig macht. Das müssen nicht große Bekenntnisse sein, das kann auch mit kleinen Fingerzeigen oder einfach durch die Art, wie ich lebe und mich meinen Mitmenschen zuwende, geschehen.

Wenn wir mit uns selbst im Reinen sind, kann das im menschlichen Miteinander ausgesprochen entlastend und sehr bekömmlich sein. Wenn wir unser Bestes geben, aber dabei den Ort annehmen, an den Gott uns stellt. Wenn wir auch einmal von uns selbst absehen können, wenn wir darauf verzichten können, immer den Ton anzugeben, wenn wir loslassen und andere groß sein lassen, ihnen Raum geben können.

„Er muss wachsen, ich aber muss abnehmen.“ Bildhaft dafür stehen die Tage, die soeben angefangen haben, kürzer zu werden. Am Fest von Jesu Geburt wird es dann genau umgekehrt sein. Die Tage werden dann wieder länger – eine Naturerfahrung mit tiefster Symbolkraft: Jesu Licht kommt, auch wenn es am dunkelsten ist. Eine zeitlose Verheißung, die Trost und Kraft gibt – auch zur Sommerweihnacht.

Es grüßt sie herzlich

Ihre Martina Kämper