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Vertrauen in Gottes Menschenkenntnis

Wer fühlt sich heute noch angesprochen, wenn von „Berufung“ die Rede ist? Ist das nicht eher etwas für die Profis? Eine Nummer zu groß für mich? Die biblischen Berufungsgeschichten geben uns da ein anderes Bild: Jesus beruft Petrus, einen Fischer. Gott beruft Maria, ein junges Mädchen aus einem „Kaff“ namens Nazareth. So ist es auch mit den Berufungen der Propheten im Alten Testament. Jeremia wehrt sich gegen seine Berufung: Er sei zu jung und tauge nicht zum Reden. (Jeremia 1,7) Doch Gott sieht Qualitäten, die Jeremia offensichtlich verborgen sind. Er gibt ihm Kraft für das Amt, und Worte, die er verkünden soll. Und Gott sagt ihm seinen Beistand zu: „Fürchte dich nicht!“

Vor kurzem ist mir der Name Lech Walesa wieder begegnet. Hin und wieder liest man von ihm in diesen Tagen. Ich weiß nicht, woher der Elektriker vor fast auf den Tag genau 40 Jahren den Mut und die Kraft genommen hat, in der Leninwerft in Danzig auf die Werftmauer zu klettern und zum Streik aufzurufen. 1943 geboren, engagierte sich Walesa damals für die Rechte der Arbeiter, war mehrmals verhaftet worden, hatte zwischenzeitlich seine Arbeit verloren. Doch all dies schüchterte ihn nicht ein; und der Streik, den er anführte, führte letztendlich mit zum Zusammenbruch des Kommunismus: „Ich setze dich heute über Völker und Königreiche, dass du ausreißen und einreißen, zerstören und verderben sollst und bauen und pflanzen.“ (Ich habe noch mal aus dem Buch des Propheten Jeremia zitiert.) Als Staatspräsident Polens von 1990 bis 1995 prägte Walesa den Weg seines Landes zu einem demokratischen Staat.

Berufung – das heißt nur selten Berufung zum Propheten oder zu einem berühmten Politiker. Berufung ist in der Regel „eine Nummer kleiner“, ist für Christen aber immer eine Berufung zur Nachfolge. Sie meint mich, sie meint dich. Das ist mir gerade auch bei der Berufung des Jeremia bewusst geworden: Gott sieht Qualitäten in mir, in dir, von denen wir vielleicht nichts ahnen.

Ich möchte Gottes Menschenkenntnis vertrauen; und seiner Zusage, dass er mich begleiten wird, wenn es für mich heißt: „ … du sollst gehen, wohin ich dich sende“ – wie immer mein Weg, dein Weg aussehen wird.

Vielleicht gehen wir ja schon längst auf dem Weg. Dann möchte ich mich stärken lassen von Gottes Wort: „Fürchte dich nicht!“

 

Ihr Klaus Kemper-Kohlhase, Pfr.